Dienstag, 26. Juni 2018

"Gehen SIe lieber nochmal raus, wenn Sie was zu eredigen haben"

Die Tür öffnet sich wieder. Alle schauen auf, machen sich bereit ihren Namen zu hören, aufzustehen, diesen Ort endlich hinter sich lassen zu können. Die Augen sind weit geöffnet, die Augenbrauen erwartungsvoll nach oben gezogen - doch es ist nur ein weiterer Wartender, der mit einem freundlichen "Hallo" dn Raum betritt. Verdammt dazu, auf einem der Stühle, von denen nur wenige Armlehnen besitzen, Platz zu nehmen. Ernüchterung macht sich breit, gemischt mit wenigen, leisen Seufzern. Sie verschwinden fast ungehört im Klang des Telefonklingelns vor der Tür, welches nur vom Husten des älteren Herrn mit Gehstock übertönt wird. Und als sei es ein Kommando gewesen, steigt auch die kurzhaarige Frau mittleren Alters gegenüber von mir in das Husten mit ein. Plötzlich verspüre auch ich den Drang mich zu räuspern, unterdrücke ihn jedoch. Stattdessen greife ich mir eins der Magazine auf dem Tisch, die alle in einem blauen Umschlag stecken, sodass ich jedes einzelne hochnehmen und ansehen muss.
Die kurzhaarige Frau hat Krücken. Jedes Mal, wenn sie sich ein anderes Magazin nehmen will, humpelt sie mehrere Schritte zum Tisch. Erst habe ich Mitleid mit ihr. Dann ist es mir gleichgültig. Dann nervt es mich. Immer wieder hieft sie sich as dem Stuhl, nimmt ihre Krücken, humeplt zwei Schritte, kramt durch die Magazine, nimmt sich eins, humelpt zurück, stellt die Krücken an die Seite, setzt sich. Blättert. Das Blättern ist so dermaßen laut, dass ich versuche, mich auf die Schritte vor der Tür zu konzentrieren um zu hören, wenn ich hier raus darf.

Wie sagte einst Nietzsche: "Ein sicheres Mittel, die Leute aufzubringen und ihnen böse Gedanken in den Kopf zu setzen, ist, sie lange warten zu lassen."

Dabei finde ich es gar nicht so schlimm zu warten. Da kann man einfach mal dasitzen und nichts zu tun, wozu man ja sonst nicht kommt. Ich blättere also weiter in meiner SPIEGEL Ausgabe von vor zwei Monaten. Ich mache es mir richtig gemütlich.
Oh, ein Artikel über eine mögliche atomare Katastrophe in Belgien.

"Frau Kolumbus, Bitte!" Ich hatte gerade mal zwei Absätze fertig. Und doch ist es ein gutes Gefühl, sich nochmal umzudrehen, nochmal die Seufzer zu hören und einfach gehen zu können. "Tschüss, ihr Penner!", denke ich und freue mich, bald hier raus zu sein.

Ich sitze nun in einem anderen Zimmer, auf einem Stuhl ohne Armlehnen.
"Der Doktor kommt gleich".
Ich wünsche, ich hätte die Zeitschrift mitgenommen.

3 Kommentare:

  1. Niemand hat so viel Zeit wie der Doc. Muss das beste Leben sein

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  2. Ich wäre für ein System, in dem es so viele Ärzte gibt, dass die Ärzte in einem Wartezimmer warten müssen, bis sie nacheinander einen Kranken behandeln dürfen.

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    1. Sehr gewieft. Damit würde man im gleichen Atemzug auch die Arbeitslosenquote senken. Nichtsdestotrotz lasse ich alle meine Behandlungen nur von Dr. Endstress aus Köln vollführen. Ein Mann, der was von seinem Handwerk versteht.

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